Beim Lesen des Artikels sträuben sich einem die Nackenhaare:
24. April 2009, 18:22 Uhr
STREIT ÜBER EU-SUBVENTIONEN
Für Buttertörtchen gibt es Kohle
Von Hans-Jürgen Schlamp, Brüssel
50 Milliarden Euro warten in den Fördertöpfen der EU-Agrarpolitik - auf jeden, der beherzt zugreift. Deutsche Nutznießer möchten dabei am liebsten anonym bleiben und weigern sich, ihre Daten im Netz zu veröffentlichen. Jetzt droht Brüssel mit einem Vertragsverletzungsverfahren.
Brüssel -
Die britische Queen bekommt einige Hunderttausend Euro im Jahr. Auch ihr Sohn Charles wird bedacht, ebenso der Duke of Westminster und der Earl of Plymouth. So kritisch der britische Adel dem Treiben in Brüssel gemeinhin gegenübersteht, für den Griff in die Fördertöpfe der europäischen Agrarpolitik ist er sich nicht zu fein.
Das gilt auch für die Noblen und Reichen diesseits des Ärmelkanals. Fürst Albert II. von Monaco hat ebenso Zuschüsse kassiert wie Fürstin Gloria von Thurn und Taxis. Wer große Ländereien besitzt - Wald, Wiesen oder Felder - der bekommt auch großes Geld aus Brüssel. Rund 50 Milliarden Euro liegen dort alljährlich bereit, um nahezu alles zu subventionieren, was das Etikett "Landwirtschaft" trägt.
Dem Kleinbauern solle damit geholfen werden, wird dem Steuerzahler regelmäßig suggeriert. Der habe sonst gegen die Billigkonkurrenz auf den Weltmärkten keine Chance. Doch die Begründung der grünen Front aus Politik und Bauernlobby zur Rechtfertigung der üppigen Geldgeschenke war schon immer fragwürdig.
Denn tatsächlich müssen sich etwa 80 Prozent der deutschen Bauern, die Masse der Kleinen nämlich, ein Viertel des Agraretats teilen. Im Durchschnitt machte das im Jahr 2005 etwa 8000 Euro für jeden Hof. 40 Prozent aller Prämien gehen dagegen an die rund zwei Prozent Großbauern und ehemaligen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, im Schnitt bekommen die je 200.000 Euro.
Butter an Fluggäste verfüttert - dafür gibt es Geld
Aber auch das sind nur Kleinbeträge gegen die Summen, die der Agrarindustrie zufließen. Betriebe wie die deutsche Südzucker AG, ihr britischer Konkurrent Tate and Lyle, Energiekonzerne wie Rheinbraun oder RWE, der niederländische Multi Unilever oder der Schweizer Nestlé-Konzern kassieren fast die Hälfte aller Zuschüsse, weil sie Raps verdieseln oder Wein verspritten, Milch ins Viehfutter oder ins Speiseeis mengen, Butter in Törtchen verbacken oder an Fluggäste verfüttern.
Wer wie viel, aus welchem Grund bekommt, weiß man bislang nur in Einzelfällen. Aber schon seit einigen Jahren drängen Politiker unterschiedlichster Parteien, Organisationen wie Oxfam und EU-Funktionäre, wie der estnische Kommissar Siim Kallas, darauf, die Empfänger der Agrarbeihilfen in allen Ländern öffentlich zu benennen. Kallas: "Wer die Verwendung der EU-Gelder geheim hält, fördert doch nur die Spekulation."
Nach vielem Hin und Her einigte man sich vergangenes Jahr. Jedes Land ist nun verpflichtet, bis spätestens am 30. April die Empfänger sogenannter "Direktzahlungen" im Internet zu veröffentlichen. 18 der 27 EU-Mitglieder haben das schon getan. Die meisten anderen haben signalisiert, dass sie der Pflicht bis zum Stichtag nachkommen wollen.
Nur Deutschlands Bürger sollen offenbar nicht allzu genau wissen, wer die Steuergelder einstreicht. Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner fordert plötzlich "eine zeitweilige Aussetzung" der Informationspflicht. Sie hat den Bundesländern, die die Agrarmittel überweisen, empfohlen, vorerst keine Angaben über die Empfänger zu machen. Mehrere deutsche Gerichte hätten Bedenken geäußert, ob die Bekanntgabe der Subventionsempfänger mit dem "Grundrecht auf Datenschutz" vereinbar sei, begründete die Christsoziale ihren Schritt.
Mit Erstaunen und einer für Aigner peinlichen Rechtsbelehrung reagierte Brüssels Agrarkommissarin, die Dänin Mariann Fischer Boel: Weder die Kommission, noch die Mitgliedstaaten könnten ein Gesetz einfach aussetzen, da müsse Deutschland schon vor dem Europäischen Gerichtshof Klage einreichen.
Brüssel droht mit einer Klage
Das aber wäre reichlich seltsam, denn der Datenschutz war von allen Beteiligten lange diskutiert worden, ehe die Verordnung zur öffentlichen Bekanntgabe aller Empfänger von Agrarhilfen beschlossen wurde. Damals war Horst Seehofer, Aigners heutiger Parteichef, verantwortlich - und Deutschland stimmte zu.
Selbst für den deutschen Datenschutzbeauftragten, Peter Schaar, spricht nichts dagegen. Zumal sich alle Zahlungsempfänger schriftlich damit einverstanden erklärt haben, dass ihre Daten veröffentlicht werden dürfen. So droht nun erst einmal Brüssel mit einer Klage: Man werde ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof einleiten, wenn Deutschland der Auflage nicht nachkomme.
Die deutsche Agrarpolitik sei auf "Geisterfahrt", empört sich die CDU-Haushaltsexpertin im Europäischen Parlament, Inge Gräßle. Wer Mittel aus den Etats für die Forschungsförderung oder Geld aus anderen Subventionstöpfen erhalte, werde längst öffentlich gelistet. Die Landwirtschaft sei der letzte Bereich, in dem Steuergelder im Verborgenen verteilt würden. "Es schadet den Kleinbauern, wenn wir nicht wissen, wer das europäische Geld bekommt und ob wir unsere Politikziele erreichen", sagt Aigners Unions-Freundin Gräßle. Aber darum geht es offensichtlich gar nicht.
So werden schon seit vergangenem Dezember die Zahlungen der sogenannten "zweiten Säule" der Agrarpolitik veröffentlicht. Das sind "Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete" zum Beispiel oder Zuschüsse für "Umweltmaßnahmen", winzige Beträge zumeist; aber akkurat aufgeführt und im Internet abrufbar für jedermann .
Jede Bauernstimme zählt
So hat ein Franz Hölzl aus Regensburg im Jahre 2007 aus dem EU-Topf 358,88 Euro bekommen, zum Beispiel, ein Heinz Schmölling aus Hettstedt exakt 833 Euro und Heinrich Beck aus Passau immerhin 4789,04 Euro. Hier hatte die Landwirtschaftsministerin offenbar keine Datenschutz-Bedenken. Die kamen erst auf, als die Empfänger der großen Summen benannt werden sollten und der "Deutsche Bauernverband" (DBV) dagegen mobil machte. Er empfahl seinen Mitgliedern, gegen die Publizierung ihrer Einnahmen aus Fördertöpfen zu klagen. In vielen Bundesländern wurden DBV-Funktionäre beim jeweiligen Ressortchef fürs Grüne vorstellig.
Besonders sensibel für solchen Gegendruck ist wohl Aigners CSU in Bayern. Denn die treibt die Sorge um, bei den Europawahlen am 7. Juni nicht so viele bayerische Stimmen zu bekommen, dass es - auf ganz Deutschland umgelegt - zum Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde reicht. Dann wären die Christsozialen zum ersten Mal nicht in Brüssel vertreten - eine politische Katastrophe für die CSU und deren Parteichef Seehofer. Also zählt jede Bauernstimme - da mag Brüssel auch mit Klage drohen und die CDU-Frau Gräßle ruhig über die "Blamage für die deutsche Agrarpolitik" wettern.
URL:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,621011,00.html
Warum werden wir nicht mit 50% subventioniert, wenn wir ein Produkt erwerben? Das wäre das Konjunkturpaket schlechthin.