Da die Diskussion um den Verlauf des Jahres 2006 grad so eifrig im Gange ist, hab ich wieder mal mit der Baur'schen Klimadatenreihe diverse Untersuchungen angestellt und ein interessantes Ergebnis dabei gefunden:
Nach einem recht kalten ersten Jahresviertel 2006 ist es nun nicht unwahrscheinlich, dass erstmals seit 1996 wieder ein Jahr in Mitteleuropa zu kalt ausfallen könnte.
So folgte nämlich seit 1844 ausnahmslos in allen 20 Fällen in Mitteleuropa (Mittel aus den vier Stationen De Bilt, Potsdam, Wien und Basel) ein zu kaltes Jahr, wenn folgende Bedingungen erfüllt waren:
- Januar in Mitteleuropa kälter als normal (gegenüber Mittelwert 1844-2000)
- Februar in Mitteleuropa kälter als normal
- März in Mitteleuropa um mindestens 1.0 K kälter als normal
Bei einer Grundwahrscheinlichkeit von 0.46 für das Auftreten eines zu kaltes Jahres im Zeitraum 1844-2000 beträgt die Wahrscheinlichkeit 0,46^20 (20 ausnahmslose Fälle) = 1,8*10 (0,0008 %) bei rein zufälliger Auswahl auf 20 zu kalte Jahre in Folge zu stoßen. Dieser Wert unterschreitet eindeutig die in der Praxis gängige Zufallsgrenze von 0,27% (entspricht dem dreifachen Streuungswert einer Variablen), so dass davon ausgegangen werden kann, dass es sich hierbei nicht nicht um eine Scheinbeziehung handelt, sondern ein realer Zusammenhang existieren muss.
Ein Grund für diesen Zusammenhang liegt darin, dass die Streuung der Monate Januar bis März relativ groß ist und deren Temperaturabweichungen mit einem starken Gewicht in die Jahresmitteltemperatur eingehen. Andererseits neigt die Atmosphäre gern zur Erhaltungs- bzw. Wiederholungsneigung bestimmter Wetterlagen, so dass einer Serie zu kalter Monate zu Jahresbeginn oftmals weitere kalte Monate im Jahresverlauf folgen.
Jahr Jan. Feb. Mär. Jahr
1844 -0.7 K -1.7 K -1.6 K -0.9 K
1845 -0.1 K -5.5 K -6.8 K -1.2 K
1847 -2.6 K -1.7 K -1.4 K -1.0 K
1855 -2.3 K -4.4 K -1.9 K -1.4 K
1858 -2.3 K -4.7 K -1.9 K -0.9 K
1886 -0.7 K -3.5 K -2.8 K -0.3 K
1887 -2.6 K -1.4 K -2.3 K -1.1 K
1888 -1.4 K -3.4 K -2.2 K -1.3 K
1889 -1.7 K -1.8 K -2.9 K -0.7 K
1895 -2.6 K -6.5 K -1.6 K -0.6 K
1901 -2.6 K -4.1 K -1.2 K -0.4 K
1909 -1.3 K -2.7 K -1.9 K -1.0 K
1917 -1.6 K -4.2 K -3.1 K -0.8 K
1924 -1.8 K -2.8 K -1.3 K -0.9 K
1929 -3.7 K -9.4 K -1.3 K -0.9 K
1942 -7.0 K -5.7 K -2.1 K -0.9 K
1955 -0.6 K -1.5 K -2.7 K -0.3 K
1970 -1.5 K -0.9 K -1.7 K -0.1 K
1987 -4.6 K -0.4 K -3.1 K -0.3 K
1996 -1.5 K -2.3 K -1.9 K -0.5 K
2006 -1.6 K -0.5 K -1.1 K ?
Da dieses Jahr die oben erwähnten Bedingungen erfüllt waren, kann man mit Recht darauf verweisen, dass die Wahrscheinlichkeit für einen zu kalten Jahresverlauf deutlich erhöht ist.
Erwähneswert ist noch, dass die dargestellten Werte nicht die Originalabweichungen (mit "Normalperiode" 1761-1970) von Baur sind sondern die Anomalien gegenüber der "Normalperiode" 1844-2000, da ich noch mehr Untersuchungen mit den Klimadaten anstelle - u.a. auch mit Niederschlagswerten - und Baur'sche Niederschlagsdaten erst ab 1844 vorliegen. Außerdem wird durch die Korrektur das kalte Klima des 19. Jahrhunderts nicht so stark überbetont. Dennoch liegt diese korrigierte Normalperiode immer noch unterhalb der üblichen 1961-90.
Gruß Lars