Erdbeben im Rheinland
Gegen 03.20 MESZ erschüttert ein Erdbeben, der Stärke 5,9 auf der Richterskala, das Rheinland. Es ist das stärkste Erdbeben seit 1756 in dieser Region u. noch in Berlin, München u. London zu spüren. Nach der MSK-64-Skala erreicht das Beben die Intensität VII. Dessen Definition lautet: Risse im Putz, Spalten in Wänden u. Schornsteinen.
Das Epizentrum liegt 4 Km südwestlich von Roermond (NL) bei 5° 56’ 11’’ Ost u. 51° 9’ 57’’ Nord in einer Tiefe von 18 Km. Es werden eine Bruchfläche von 41 Quadratkilometer u. ein Verschiebungsbetrag von 18 cm im unterirdischen Gestein errechnet. Es kommt zu zahlreichen Nachbeben. Das stärkste hat eine Magnitude von 3,6 auf der Richterskala. In NRW werden 30 Personen verletzt, 21 alleine in der Stadt Heinsberg. Sechs davon erleiden schwere Verletzungen. Viele, die in Panik auf die Straße laufen, werden von herabfallenden Kamin- u. Dachziegeln getroffen. Mehrere Personen müssen mit Herzinfarkten, Kreislaufversagen oder Nervenzusammenbruch in Krankenhäuser gebracht werden. In Bonn stirbt eine 79jährige Frau vor Aufregung an Herzversagen.
Die Sachschäden werden auf ca. 150 Mio. DM geschätzt. Das Zentrum der Schäden liegt bei der Stadt Heinsberg u. den Ortschaften Oberbruch u. Dremmen. Alleine in Heinsberg werden 150 Häuser beschädigt. Einzelne so schwer, dass sie geräumt u. später abgerissen werden müssen. Etwa 120 Fahrzeuge werden durch herabfallende Trümmer beschädigt. In Dremmen wird das Marienkloster, in dem sich ein Altenheim für pflegebedürftige Senioren befindet, stark beschädigt. Teile des Daches u. des Treppenhauses stürzten ein. Die 84jährige Maria N. wundert sich beim Aufwachen über den Schutt auf ihrem Bett. Ohne dass sie es bemerkte, war die Zimmerdecke heruntergekracht. Sie blieb unverletzt. Das Seniorenheim wird geräumt.
Auf einer Hühnerfarm in Prummen verenden 20 Tiere an Herzschlag.
Im Bonner Regierungsviertel richtet das Beben an fast allen Ministerien sowie an der Villa Hammerschmidt geringe Schäden an. Am Plenarsaal im „Wasserwerk“ entstehen Haarrisse an den Verankerungen der Zuschauer- u. Pressetribünen. Im fast vollendeten Neubau des Plenarsaals hat sich die Decken-Stahlkonstruktion auf einer Gleitfuge um 3 - 4 cm bewegt. Bei der Deutsch-Amerikanischen Freundschaftsgesellschaft „Altantik-Brücke“ in Bonn kommt die Decke herunter. Im alten Rathaus am Markt u. in der Universität fällt Putz von der Decke. Die Bonner Feuerwehr hat mehr als 50 Einsätze. Autos werden durch herabfallende Ziegel demoliert. Etliche Straßen müssen gesperrt werden.
Am Kölner Dom lösen sich fünf Kreuzblumen von etwa 1,5 m Größe u. stürzen in die Tiefe. Eine ca. 400 kg schwere Kreuzblume durchschlägt das 40 m tiefer gelegene Dach eines Seitenschiffs. Auch andere Kirchen im Erzbistum Köln werden beschädigt, meist fallen Putzstücke von den Gewölben oder Turmspitzen knicken ab. In den rechtsrheinischen Kölner Stadtteilen ist die Wasserversorgung kurzzeitig unterbrochen.
In Euskirchen wo mehrere Kamine abstürzten, wird ein Mann von Trümmern getroffen u. verletzt. In Hellenthal wurde hinter einem Feuer eine durch das Beben geplatzte Gasleitung vermutet. Es entpuppt sich aber im Nachhinein als relativ harmlos. An den Stützmauern der Talsperren in der Eifel wurden keine gravierenden Schäden festgestellt. Im Oberbergischen war der Schrecken größer als die entstandenen Schäden. Hier fallen nur einige Dachziegel zu Boden. Im Erftkreis werden vier Menschen verletzt u. zwei Kirchen beschädigt. Einige Häuser, darunter auch unseres, bekommen Risse.
In Düsseldorf steigt zwischen 3.25 Uhr u. 3.40 Uhr der Stromverbrauch um 7% an. Grund: Fast alle, durch das Beben geweckten Menschen, schalten das Licht in ihren Wohnungen ein.
Kraftwerkbetreiber u. Bergwerkgesellschaften melden keine nennenswerten Schäden. Lediglich der Block A des KKW Biblis (Kreis Bergstraße), ca. 250 Km vom Epizentrum entfernt, wird abgeschaltet da die Grenzwerte geringfügig überschritten werden. Block B bleibt hingegen am Netz. Beamte der Atomaufsicht überprüfen beide Blöcke nun auf mögliche Schäden. Auch die Hanauer Atomanlage der Firma Siemens werden von Tüv - Mitarbeitern überprüft. Automatisch abgeschaltet werden in den RWE-Kraftwerken Niederaußem, Frimmersdorf u. Neurath für mehrere Stunden insgesamt sieben Blöcke. Diese sind so gegen Erschütterungen geschützt. Am AKW Mülheim-Kärlich werden keine erkennbaren Schäden hervorgerufen. Auch die Kernforschungsanlage in Jülich bleibt, nach Angaben eines Sprechers, unbeschädigt.
In Mönchengladbach rufen besorgte Menschen bei der Polizei an die einen Bombenanschlag auf das NATO-Hauptquartier vermuten. An den Chemiestandorten Wesseling u. Leverkusen besteht in der Bevölkerung große Angst vor einer Explosion in den chemischen Werken. Auch in Köln; Düsseldorf, Essen, Bochum, in der Eifel, im Bergischen Land u. im Erftkreis rufen Tausende von aufgeschreckten Bürgern über die Notrufleitungen die Polizei an. Erschwert wird die Situation für die Polizei auch dadurch, dass viele Alarmanlagen das Beben mit einem Einbrecher „verwechseln“.
Im niederländischen Roermund-Maasniel erleiden einige Menschen einen Herzinfarkt. Im Ort Herkenbosch wird der Turm der gerade renovierten Pfarrkirche „St. Sebastianus“ aus dem 13. Jahrhundert so stark beschädigt, dass er einzustürzen droht. Das Königlich-Meteorologische Institut spricht vom schwersten Erdbeben in der Geschichte des Landes.
Quelle (Auszug): ex W-A