'n Abend Matthias,
1996 kam recht überraschend, zumindest in seiner Härte und Ausdauer. Vor allem aber, wenn man die nordhemisphärischen Karten - insbesondere 500 hPa - nicht kannte. Der große Unterschied zu heute ist gravierend!
Schon am 12. Dezember 1996 herrschte ein klar meridionales Muster vor mit weit nach Norden (Grönland) gerichteten Höhenkeil, schwachen Luftdruckgegensätzen über Europa und tiefem Geopotential über Nordrußland. Über Nordamerika war nicht sonderlich niedriges Geopotential zu finden.
Dies ganz im Gegensatz zu heute (12. Dezember 2005). Das tiefste Geopotential reicht als Band von Nordamerika nach Grönland und verbindet sich im Osten mit einem schwächeren Zentrum über Nordskandinavien. Von kleinen Höhentiefs abgesehen hohes Geopotential im gesamten mittleren und südlichen Bereich, besonders konzentriert westlich der Britischen Inseln. Man kann mit Fug und Recht von einer sehr nördlichen Westlage schwächerer Ausprägung sprechen.
1996 bewegte sich das Kältezentrum in der Höhe weiter nach Skandinavien und ein schwaches Abtropfen über dem Atlantik ließ uns vorübergehend in eine Südwestlage geraten. Das Hauptzentrum niedrigen Geopotentiales waberte aber weiter zwischen Skandinavien und Nordrußland, weshalb sich eine klassische Luftmassengrenze mit stärkerer und damit eindeutig nach Süden dringender kalter Seite ausbilden konnte, so daß am 19. Dezember die kalte Phase eingeleitet werden konnte. Nur schwach ausgeprägtes tiefes Geopotential war weiterhin über Nordamerika zu finden. Natürlich hätte die Sache auch schief gehen können, nämlich dann, wenn nicht nur ein kleines Höhentief sondern der Hauptteil auf den Atlantik gewandert wäre. (Wie Mitte Dezember 1987, aber da lag eben auch in Richtung Amerika weit niedrigeres Geopotential bereit.) Aber genau solche Lagen bergen enorme Überraschungen.
Fortan sammelte sich im gesamten Nordostbereich immer mehr Kaltluft, welche Schubweise nach Mitteleuropa vordrang. Höhepunkt war ein schneebringender Kaltlufttropfen zum Jahresende.
Dieses Jahr aber ist solch ein Überraschungseffekt nicht gegeben. Statt eines luftmassengrenzenfördernden Atlantiktiefs als Gegenstück zur großen nordosteuropäischen Kälte lagert ein mächtiges Atlantikhoch bis in alle Höhen westlich der Britischen Inseln. Zwar wandert nun auch das tiefe Geopotential unter Konzentrierung nach Skandinavien. Aufgrund des Atlantikhochs ist aber nur eine Nordwestlage möglich. Die Luftmassen müssen über die noch recht milde Nordsee und sind dadurch erheblich harmloser, ja, oberhalb von -7°C bis -8°C in 850 hPa überhaupt nicht flachlandwintertauglich (oder nur gut für Schneeintermezzi vor der nächsten Warmfront).
Fatal auf unsere Winterhoffnungen wirkt sich im weiteren Verlauf das kräftige Atlantikhoch aus. Weil es sich nicht um einen tiefdruckgestützten schmalen Keil handelt sondern um ein recht breites, massives Gebilde, kann sich auf dessen Nordflanke tiefes Geopotential von Westen hereinschleichen, den Skandinavientrog nach Westen kippen lassen und uns so innerhalb kurzer Zeit auf die Vorderseite eines Nordseetiefs bringen. Zwar soll daraufhin die Trogachse erneut durchschwenken und eine leichte Abkühlung bringen. Die Verbindung zu sich intensivierendem (!) tiefem Geopotential über Nordamerika bleibt aber erhalten und im weiteren Verlauf wandert dieses auf den Atlantik und leitet als logische Folge eine Zonalisierung ein.
Eine nachhaltige Winterlage könnte nur dann gelingen, wenn auf dem Westatlantik tiefes Geopotential weit nach Süd/Südosten austrogen würde und als Folge den Keil nach Grönland aufsteilen würde. Im Gegenzug könnte der Skandinavientrog über Mitteleuropa abtropfen und eine Nordostlage einleiten. Leider sieht es danach nicht aus, denn die Entwicklung über dem östlichen Nordamerika müßte bereits im Gange sein...
Viele Grüße
Christian
P.S.: An dieser Sache scheiterte übrigens auch der Winter 2001/02. Der Unterscheid zu 2001 liegt vor allem in der Intensität der Kaltluftmassen. Damals brachte die Nordwestlage teils deutlich weniger als -10°C in 850 hPa, so daß es auch im Flachland immer wieder schneite und auch liegen blieb (unterhalb 300 m zwischendurch aber auch taute). Zudem war der Kontinent vorher schon kälter (Kaltlufttropfen Mitte Dezember 2001).