Unsere Sonne-nervoes wie selten - Beeinflussen Schwankungen der Sonnenaktivitaet das Klima?
Seit Galileo ist bekannt, dass die Sonne Phasen unterschiedlicher Aktivitaet hat. Der sichtbare Ausdruck hierfuer sind die Sonnenflecken. An ihrer Zahl und Groesse koennen wir recht gut ablesen, wie aktiv sie derzeit gerade ist.
Durch Teleskopbeobachtungen wissen die Forscher, dass die Sonnenfleckenzahl einem Zyklus von 11 Jahren unterliegen und fuer die letzten beiden 11-Jahreszyklen sind Schwankungen der Sonneneinstrahlung auf die Erde - im Bereich von 0,1 Prozent - im exakten Gleichlauf mit der Sonnenfleckenzahl nachgewiesen.
"Doch was wir gerne wissen wuerden: Wie aktiv war die Sonne in der Vergangenheit? In welchem Umfang beeinflusste ihre vermutlich schwankende Aktivitaet das Klima auf der Erde? Hier sind wir erst in der allerjuengsten Zeit zu neuen Erkenntnissen gelangt", so Bernd Kromer. Er leitet seit 1982 das C-14 Labor der Forschungsstelle "Radiometrie" der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, das eingebettet ist in das Institut fuer Umweltphysik der Universitaet Heidelberg.
Wie heute in der neuen Ausgabe der Zeitschrift "Nature" berichtet wird, haben Forscher des Max-Planck-Instituts fuer Sonnensystemforschung - Lindau-Katlenburg -, der Universitaet Oulu, - Finnland -, der Heidelberger Akademie der Wissenschaften sowie der EAWAG - Zuerich - jetzt die Sonnenaktivitaet fuer die letzten 11.000 Jahre rekonstruiert. Sie machten dabei die Entdeckung, dass wir uns gegenwaertig in einer Phase ungewoehnlich hoher Sonnenaktivitaet befinden. Sie dauert seit rund 70 Jahren an und kam in vergleichbarer Staerke das letzte Mal vor zuletzt 8000 Jahren vor.
Die Rekonstruktion nutzt aus, dass durch die Hoehenstrahlung radioaktive Isotope in der Atmosphaere erzeugt werden, darunter Kohlenstoff-14 (C-14). Die Produktionsrate von C-14 wird nun durch den Sonnenwind gesteuert: Mit einer hoeheren Produktion bei "ruhiger" Sonne und einer Abnahme bei aktiver Sonne.
Das mit Abstand genaueste Archiv der C-14-Produktion in der Vergangenheit ist die Zellulose von Baumringen. Durch die Einlagerung von C-14-Isotopen waehrend der Photosynthese zeichnen Baeume fast wie Tonbandgeraete deren Gehalt in der Atmosphaere auf.
"Wir koennen nun genau in die Vergangenheit zurueckzaehlen, wie viel C-14 wann genau in der Luft war", erklaert Kromer. "Wir halten damit erstmals den Schluessel zur Rekonstruktion der Sonnenaktivitaet in der Zeit vor dem Jahre 1613 in der Hand."
Bei diesen Untersuchungen kooperiert das Heidelberger C14-Labor der Akademie der Wissenschaften seit 30 Jahren mit dem Jahrringlabor der Universitaet Hohenheim. Als Ergebnis dieser Zusammenarbeit koennen die Forscher nun eine weltweit einmalige Baumringchronologie aus sueddeutschen Eichen und Kiefern bis 12.400 Jahre vor heute praesentieren.
C14-Messungen an diesen Chronologien, zusammen mit frueheren Arbeiten von Kollegen in Irland und den USA, haben eine hochgenaue Zeitserie der C-14-Produktion geliefert, die den Forschern in Lindau-Katlenburg und Oulu als Basis der Sonnenflecken-Rekonstruktion gedient hat. Das Ergebnis ist ueberraschend : Nur in 8 Prozent der letzten 11.000 Jahre war die Sonne so aktiv wie heute. Die anderen Zeiten aussergewoehnlich hoher Aktivitaet liegen am Anfang des Intervalls, also vor mehr als 8000 Jahren.
Der Befund hat nun erhebliche Konsequenzen fuer die Frage, ob Schwankungen der Sonnenaktivitaet auch fuer Klimaschwankungen auf der Erde verantwortlich sein koennen. Diese Vermutung liegt mittlerweile auf der Hand: Drei Intervalle "ruhiger" Sonne zwischen dem 13. und dem 17. Jahrhundert n.Chr. fallen naemlich mit den historisch belegten Abkuehlungsphasen auf der Nordhalbkugel zusammen. Diese sogenannte "Kleine Eiszeit" zeigte zum Teil gravierende Auswirkungen auf die Landwirtschaft und das soziale Gefuege in Europa. Klima-Modelle, die mit Aenderungen der Sonneneinstrahlung auf der Basis der C-14-Produktion angetrieben werden, zeigen fuer die vorindustrielle Zeit im letzten Jahrtausend eine ueberraschend gute Uebereinstimmung der Modell-Resultate mit Klimazeitreihen.
Noch besteht unter den Wissenschaftlern kein Konsens darueber, welche Verstaerkungsmechanismen die vermutlich kleinen Aenderungen des Energieflusses von der Sonne das Klima auf der Erde merkbar beeinflussen. "Doch eines scheint sicher", so Kromer. "Die Sonne spielt eine ganz gewichtige Rolle bei den beobachteten natuerlichen Klimaschwankungen!" Dennoch kann dieses Erklaerungsmodell nicht als bequemes Argument dafuer herhalten, die Gefahr einer globalen Erwaermung durch anthropogen erzeugte Treibhausgase herunter zu spielen. "Modellrechnungen zeigen naemlich gleichzeitig, dass die erhebliche Erwaermung seit circa 1990 nicht der Sonne zuzuschreiben ist", gibt Kromer zu bedenken. "Diese Veraenderung ist vielmehr konsistent mit dem Anstieg der Treibhausgase in den letzten anderthalb Dekaden erklaerbar."
Pressemitteilung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, 28.10.2004